Veröffentlichung des Jahresberichts 2024 von ada.nrw

Sarah Haßelmann (links) und Mira Berlin (Bildmitte) vom DRK-Landesverband Westfalen-Lippe sowie Gülgün Teyhani von ARIC bei der Vorstellung des Jahresberichts im Rahmen der Landespressekonferenz in Düsseldorf.

Antidiskriminierungsberatung in NRW: Beratungszahlen steigen, Schutzlücken bleiben.

Das Netzwerk für Antidiskriminierungsarbeit der Freien Wohlfahrtspflege NRW (Netzwerk ada.nrw) stellt seinen Jahresbericht 2024 vor – mit alarmierenden Zahlen: 1.043 neue Fälle wurden im vergangenen Jahr in den 42 ADA-Beratungsstellen dokumentiert. Das entspricht einem Anstieg um rund 15 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Und das ist nur die Spitze des Eisbergs, die Dunkelziffer der Fälle, die nicht gemeldet werden, ist hoch.

Dabei fällt auf, dass sich immer mehr Fälle in der Öffentlichkeit ereignen. Rassismus, Antisemitismus, Sexismus und Queerfeindlichkeit manifestierten sich dort besonders häufig – teils offen verbal oder körperlich. Die Zahlen machen deutlich, dass die Gesellschaft in Lager zerfällt. Ideen, die manche Menschen abwerten, finden immer mehr Platz.

Minderheiten werden für gesellschaftliche Krisen verantwortlich gemacht

Rassismus bleibt mit knapp 70 Prozent die häufigste Diskriminierungsform. Besonders häufig traten dabei Antimuslimischer Rassismus (39,1 Prozent) und Anti-Schwarzer Rassismus (22,8 Prozent) auf. "Die steigenden Zahlen sind kein Zufall: Debatten, die geflüchtete Menschen, Migrant*innen und andere Personengruppen für gesellschaftliche Krisen verantwortlich machen, führen dazu, dass Diskriminierung zunimmt und unverhohlener wird. Ratsuchende berichten uns von offenen Anfeindungen und Ausgrenzung bis hin zu körperlichen Übergriffen. Und genauso schlimm, insbesondere Muslim*innen berichten von ausbleibender Solidarität ihrer Mitmenschen. Das gefährdet das Zusammenleben in NRW", weiß Gülgün Teyhani, Geschäftsführerin und Antidiskriminierungsberaterin des Anti-Rassismus Informations-Centrum, ARIC-NRW e.V.

Auch Antisemitismus nahm 2024 deutlich im Vergleich zum Vorjahr zu und machte 6,8 Prozent aller dokumentierten Fälle aus - ein großer Anteil, bedenkt man die Größe der betroffenen Community. Seit dem Terrorangriff der Hamas auf die israelische Bevölkerung am 7. Oktober 2023 und dem anschließenden Gaza-Krieg zeigt sich Antisemitismus anhaltend offener. Juden*Jüdinnen litten unter Beleidigungen, Anfeindungen und es kam häufiger zu antisemitischen Straftaten.

Überdies zeigen die Zahlen: Mehr als die Hälfte aller dokumentierten Fälle fielen nicht in den Schutzbereich des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG). Besonders betroffen sind Menschen, die Diskriminierung im Bildungsbereich oder durch Behörden erleben – Bereiche, die bislang kaum rechtlich geschützt sind, weil sie vom AGG nicht abgedeckt werden. Das Netzwerk ada.nrw fordert daher:
1. eine umfassende Reform und Erweiterung des Antidiskriminierungsrechts,
2. die Verabschiedung eines starken Landesantidiskriminierungsgesetzes für NRW, das insbesondere Diskriminierung durch staatliche Stellen erfasst und
3. die Einrichtung einer Ombudsstelle auf Landesebene.

„Diskriminierung betrifft den Alltag vieler Menschen in NRW. Viele wollen sich Diskriminierung nicht einfach gefallen lassen und haben sich an unsere Beratung gewandt. Wenn Diskriminierung von den Verantwortlichen nicht ernst genommen wird, kommen wir aber nicht weiter. Der Jahresbericht zeigt: Wir brauchen bessere Strukturen, wirksame Gesetze und eine klare Haltung gegen jede Form von Diskriminierung“, betont Mira Berlin, Projektleitung Dokumentation und Berichtswesen im Netzwerk ada.nrw.

Wichtige Demokratiearbeit braucht finanzielle Sicherheit

Bis zum Ende des vergangenen Jahres hatten die Beratungsstellen vom Land NRW keine finanziellen Mittel zur Fortführung ihrer Arbeit im laufenden Jahr erhalten. Die Vorfinanzierung setzte kleinere Träger stark unter Druck und zwang sie teilweise sogar zur Aufgabe ihrer Angebote. "Angesichts des steigenden Einflusses von rechtspopulistischen Meinungen ist es fatal, wenn Organisationen, die wichtige Demokratiearbeit leisten, und sich gegen Diskriminierung einsetzen, durch Verwaltungshandeln blockiert werden. Die Antidiskriminierungsarbeit braucht politischen Rückhalt und eine verlässliche Finanzierung", ist Sarah Haßelmann, Vertreterin der Freien Wohlfahrtspflege NRW überzeugt.

Trotz der schwierigen Lage waren die Beratungsstellen für Antidiskriminierungsarbeit in NRW wichtige Anlaufstellen bei Rassismus, Antisemitismus und Diskriminierung. Wer Diskriminierung erlebt, findet unter www.ada.nrw den passenden Kontakt in der Region. Der Jahresbericht ada.nrw 2024 kann ab sofort online abgerufen werden.